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100 Jahre Bauen für Hamburg

Foto: Matthias Oertel
Foto: Matthias Oertel
Ausgabe 2 / 2022 Ausgabe als PDF speichern

Die SAGA wird 100 Jahre alt! Seit jeher steht sie für guten und bezahlbaren Wohnraum und prägt mit ihrem Bestand das Stadtbild. Zum Geburtstag machen wir einen Rundgang auf den Spuren der SAGA Architektur – von der Wiege in Bahrenfeld bis zu aktuellen Projekten in ganz Hamburg.

Sanft geschwungene Straßen, kleine Häuser mit Sprossenfenstern und Vorgärten und immer wieder malerische Plätze mit prächtigen, villenartigen Mehrfamilienhäusern und Ladenzeilen – das ist die Steenkampsiedlung in Bahrenfeld. Hier liegt die Wiege der SAGA. Vor genau 100 Jahren wurde das Unternehmen hier als Wohnungsverwaltung gegründet.

Heute gehört der Stadtteil Bahrenfeld zum Bezirk Altona. Als die Siedlung entstand, war Altona noch unabhängig von Hamburg. Die Steenkampsiedlung war mitten im Bau, als der Bauherr in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Weil in Altona damals kurz nach dem Ersten Weltkrieg dringend Wohnraum benötigt wurde, beschloss die Stadt, die halb fertige Siedlung aufzukaufen und weiterzubauen. Dazu gründete sie 1922 die kommunale „Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona“, also die SAGA.

Gründung der SAGA
Die Idee dazu hatte Max Brauer, damals Stadtkämmerer und später auch Oberbürgermeister von Altona – und noch später Erster Bürgermeister Hamburgs. Brauer wollte mit der Gründung des kommunalen Unternehmens guten und bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung schaffen. Diesen Auftrag verfolgt die SAGA bis heute.

Die Steenkampsiedlung wurde nach dem englischen Vorbild einer Gartenstadt gebaut. „Jedes Haus hatte einen eigenen Garten, in dem die Bewohner Kartoffeln und Zwiebeln zogen, Obstbäume pflanzten und im Schuppen Hühner und Schweine hielten“, erzählt SAGA-Mieterin Gisela Sorgenfrei. Die 94-Jährige wohnt mit ihrem Mann Ralf seit 1962 in der Siedlung. Ihre Großeltern waren in den 1920ern die Erstbewohner des kleinen Häuschens und hatten den Garten ebenfalls noch zur Selbstversorgung genutzt.

Auch wenn das Kleinvieh und die Kartoffeln heute längst aus den Gärten der Sorgenfreis und ihrer Nachbarn verschwunden sind, wirkt die Siedlung weiterhin sehr grün und dörflich. „Wir fühlen uns seit 60 Jahren sehr wohl hier“, sagt Gisela Sorgenfrei. „Außer uns wohnen hier jetzt vor allem junge Familien. Die helfen uns gerne. Es ist eine gute Nachbarschaft.“

Mitten in der Siedlung hatte auch die SAGA ihre erste Geschäftsstelle über einer Gaststätte mit Tanzsaal an der Vogelweide, dem Lindenkrug. In den späteren Bauphasen nach dem Kauf der Siedlung durch die Stadt kamen westlich der Ebertallee etwas einfacher gehaltene Wohnhäuser dazu. Entworfen hatte sie der Architekt Gustav Oelsner, der unter Max Brauer Bausenator von Altona und Vorstand der SAGA wurde. Oelsner entwickelte sich schnell zu einem Vertreter des „Neuen Bauens“, einem damals modernen Architekturstil, den auch das berühmte Bauhaus verfolgte. Typisch waren streng kubische Formen, Flachdächer und der Verzicht auf dekorative Elemente.

Gustav Oelsner und der Klinker
Das SAGA-Quartier Lunapark stammt von Gustav Oelsner, ebenso viele andere Wohnhäuser in Altona-Nord. Rund 1.000 Wohnungen des Stadtplaners hat die SAGA in ihrem Bestand. Für optische Abwechslung sorgen am Lunapark ockerfarbene Klinker in verschiedenen Schattierungen. Fensterbänder und rückspringende Balkone betonen die horizontale Gliederung, wie sie für das Neue Bauen prägend sind.

Die Wohnungen hier waren für die damalige Zeit sehr modern und komfortabel, sie verfügten über ein eigenes Badezimmer und eine Einbauküche – was in den 1920ern kein Standard war. Hinzu kamen oft große Schiebefenster und Einbauschränke, um Flächen besser auszunutzen. Solche Ausstattungsmerkmale dienten schon damals dazu, auch einkommensschwächeren Menschen zu gutem und preiswertem Wohnraum zu verhelfen. Eine Ausstellung in Ottensen widmet sich aktuell Oelsners Schaffen (mehr dazu auf S. 22 der Printausgabe).

Der Wiederaufbau nach dem Krieg und die großen Siedlungen
Erst mit der Gebietsreform von 1937 kam Altona – ebenso wie Wandsbek, Harburg und Bergedorf – zu Hamburg, und die SAGA, die bisher nur in Altona tätig war, wurde zu einem Gesamthamburger Unternehmen. Nach und nach kamen in den folgenden Jahrzehnten auch andere städtische Wohnungsunternehmen mit ihren Beständen zur heutigen SAGA Unternehmensgruppe.

Ging es nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst um den Wiederaufbau in der inneren Stadt, verlagerte die SAGA ihre Aktivitäten in den 1950er und 1960er Jahren mehr und mehr auf die äußeren Gebiete und plante größere Siedlungen wie Veermoor, die 1959-1963 in Lurup entstand. Dabei wurden Einfamilienreihenhäuser und Geschosswohnungsbauten gemischt und in große Grünflächen eingebettet. Hier orientierten sich die Architekten an den damaligen internationalen Vorbildern im Wohnungsbau. Davon künden beispielsweise die flachen Satteldächer der Veermoor-Häuser, wie man sie zu dieser Zeit aus der skandinavischen Moderne kannte. Bei den sechsgeschossigen Wohnhäusern waren zudem die damals in Großbritannien schwer angesagten Maisonettewohnungen über zwei Stockwerke auffallend.

In den folgenden Jahren erlebten weitere Quartiere einen regelrechten Bauboom. Die SAGA und andere Wohnungsunternehmen errichteten regelrechte Trabantenstädte sprichwörtlich auf der grünen Wiese. Mümmelmannsberg, Steilshoop und der Osdorfer Born sind drei der größten Siedlungen, die in den 1960er und 1970er Jahren in Plattenbauweise gebaut wurden. „Urbanität durch Dichte“ lautete das Schlagwort dieser Zeit.

Heute verfügt die SAGA Unternehmensgruppe über mehr als 137.000 Wohnungen und 1.400 Gewerbeeinheiten. Sie ist das größte kommunale Wohnungsunternehmen Deutschlands.

Die SAGA heute
Seit 2011 erlebt Hamburg wieder einen Bauboom. Bei der politischen Zielsetzung des Senats übernimmt die SAGA eine zentrale Rolle im „Bündnis für das Wohnen“. 2021 hat sie mehr als 1.000 neue Wohnungen fertiggestellt – 40 davon in einem Wohnhaus im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel. Idyllisch gelegen am Park Rotenhäuser Feld und umgeben von schönen alten Einfamilienhäusern und Rotklinkerbauten aus den 1950ern haben die Architekten ein perfekt auf die Umgebung abgestimmtes Gebäude entworfen.

„Wir haben darauf geachtet, dass das Haus mit seinen dunklen Klinkersteinen und seiner Höhe gut in die Nachbarschaft passt“, erklärt Architekt René Schneiders vom Büro A-QUADRAT ARCHITEKTEN + INGENIEURE GmbH. Knapp 100 Menschen haben hier eine neue und bezahlbare Heimat gefunden, von der Seniorin bis zur fünfköpfigen Familie – die große Bandbreite an Wohnungsgrößen und Grundrissen macht es möglich.

Äußerlich und von der Ausstattung her, mit Balkonen oder Terrassen für jede Wohnung, moderner Raumlüftung und bodentiefen Fenstern, erinnert nichts an geförderten Wohnungsbau. „Wir haben hier mit echtem Klinker gebaut, statt nur dünne Klinkerriemchen an die Fassade zu kleben“, so René Schneiders. „Das macht den Bau zwar erst mal teurer, aber später im Unterhalt wird es deutlich günstiger.“ Fördermittel gab es außerdem vom Bund, um das Haus besonders energieeffizient zu bauen. Die Heizenergie kommt übrigens aus dem Energiebunker, dem neuen Wahrzeichen von Wilhelmsburg, der gleich nebenan über die Parkbäume ragt.

Modulhäuser in Billstedt
Die Wohnungen in Wilhelmsburg wurden im Oktober letzten Jahres bezogen. An vielen anderen Orten in der Stadt baut die SAGA aktuell, beispielsweise am Spliedtring nahe dem Öjendorfer See: Dort sorgt Projektleiterin Laura Baden von der SAGA-Neubauabteilung dafür, dass gut 100 Menschen bald in neue Wohnungen ziehen können. „Hier haben wir uns für eine innovative Bauweise entschieden“, erklärt die junge Architektin. „Die beiden Mehrfamilienhäuser werden in Modulbauweise errichtet“, so Baden. Ein Architekturbüro hat 2018 für die SAGA vier verschiedene Wohnmodule entworfen, die fast beliebig kombiniert werden können. „Am Spliedtring haben wir zwei unterschiedliche Module verknüpft und geschossweise gestapelt. So entstehen zwei Zeilenbauten mit einer hohen Varianz an Grundrissen, die sich gut in die Nachbarschaft einfügen. Das ist behutsame Nachverdichtung.“ Die locker bebaute Nachbarschaft besteht aus SAGA-Wohnhäusern der 1970er Jahre mit großen Stellplatzflächen für Autos. „Eine dieser Stellplatzanlagen haben wir nun überbaut“, so Laura Baden. „Die Autos stehen nach wie vor ebenerdig, allerdings nun in einer offenen Garage. Ab dem ersten Obergeschoss werden die Wohnungen errichtet, wodurch die Fläche effizient genutzt wird.“ Zwischen beiden Gebäuden wird das Garagendach zum begrünten Hof mit Sitz- und Spielmöglichkeiten.

Seit 2018 hat die SAGA zwölf Bauprojekte mit 555 Wohnungen in Modulbauweise errichtet. Die Realisierung erfolgt ganz konventionell in Massivbauweise. Aber die Planung geht schneller, als wenn jedes Wohnhaus immer wieder neu entworfen werden müsste. „Die Planungszeit kann durch die Modulbauweise nahezu halbiert werden – das macht die Sache kostengünstiger“, sagt die Architektin. Ob die Steenkampsiedlung in Bahrenfeld im Gartenstadt-Stil der 1920er, der Osdorfer Born in Plattenbauweise der 1970er oder Nachverdichtung durch individuelle Architektenhäuser in Wilhelmsburg und Modulhäuser in Billstedt: Die SAGA geht immer mit der Zeit und passt sich neuen Anforderungen und Entwicklungen an. Sie vereint gute Architektur mit öffentlich gefördertem Wohnungsbau.

Text: Rainer Müller

 

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